Die Wimmelburger Schlotten

Der Schlottenzug (das Höhlensystem) unter Wimmelburg wurde zuerst 1777 von Schacht H aus (Lichtloch 60, nach anderrer Lesart 61 des Froschmühlenstollens) im VIII. Revier (auch genannt die Schafbreite) angefahren. Das gesamte Revier wurde dann mit dem Abteufen des Kunstschachtes T (1800), des Dampfmaschinenschachtes W (1811) sowie später des Erdmann-Schachtes (1829) und dem fortschreitenden Abbau von Wasser gelöst. Im Tiefbau erfolgte eine Gewinnung des Erzes weit unter dem Niveau des Froschmühlenstollens. Dabei sind die Schlotten im Hangenden des Flözes nach und nach trocken gefallen und befahrbar geworden. 

Riss der Schlotten am Froschmühlenstollen-Querschlag, markscheiderisch aufgenommen 1808 von Anton Erdmann und in der Arbeit von J. C. Freiesleben (1809) als Kupferstich veröffentlicht. Original in Privatbesitz. Digitalisierung Michael K. Brust 2010. 

Im Zusammenhang mit der Flutung der Mansfelder Mulde nach Auflassung der Bergbaus im Eislebener Gebiet (1981 abgeschlossen) sind alle unter der 2. Gezeugstrecke liegenden Bereich der Schlotten (tiefer als ca. 78 m NN) dann wieder abgesoffen. Aktuell sind etwa drei Viertel der ehemals bekannten Räume trocken und noch befahrbar.

 

Über die zeitliche Reihenfolge der Entdeckung der Schlotten am Froschmühlenstollen-Querschlag zwischen 1802 bis 1808 berichtet Freiesleben (1809) im Detail. Die Schlotten am Schacht W waren zu dieser Zeit noch nicht bekannt. Eine Beschreibung findet sich erst bei Nauwerck (1860), der auch die Abzeichnung eines Risses von Erdmann & Ulich (1824) veröffentlicht. Darauf sind bereits alle Räume dargestellt, die heute bekannt sind. Folglich müssen die Schlotten am Schacht W zwischen 1809 und 1824 entdeckt worden sein. 

Blick auf die nördliche Seite des Tanzsaals. Die Person in der Bildmitte befindet sich in kniender Haltung. Aufnahme Michael K. Brust, 2. Februar 2010.

Bereits 1805, also noch vor der ersten markscheiderischen Aufnahme durch Erdmann (1808) und der o.g. Beschreibung in der Literatur, wurde vom Froschmühlenstollen-Querschlag aus Versatz in die Schlotten eingebracht. Dabei sind überschlägig gerechnet auf einer Grundfläche von etwa 2.100 m² innerhalb weniger Monate rund 12.600 m³ taubes Gestein verkippt bzw. verbaut worden. Eingedenk dessen sind die Wimmelburger Schlotten also ursprünglich noch erheblich größer gewesen, als durch spätere Berichte überliefert ist. 

Die Reste von Englischen Förderwagen stehen auf dem Froschmühlenstollen-Querschlag heute etwa dort, wo 1805 der Versatz eingebracht worden ist. Die Wagen selbst stammen aus dem Jahr 1908. Aufnahme Michael K. Brust, 2. Februar 2010. 

Die Bedeutung der Wimmelburger Schlotten für die Allgemeinheit lässt sich aus heutiger Sicht wie folgt umreißen:

 

1) Dem Größenvergleich nach handelt es sich um die geräumigsten Gipshöhlen, die in Deutschland überhaupt bekannt sind. Die Dimension einzelner Räume übersteigt alles, was selbst aus den längsten Gipshöhlen der Welt dokumentiert ist.

 

2) Aus geologischer Sicht sind die aufgeschlossenen Schichten des Zechstein 1 (Werra-Folge) von exemplarischer Bedeutung, weil das Gestein unverwittert ist und sich zahlreiche lithologische sowie tektonische Details erkennen lassen. Das ist über Tage in aller Regel nicht der Fall.

 

3) Im speläologischen Sinne handelt es sich um eine Typlokalität. Die weltweit erste wissenschaftliche Beschreibung von Gipshöhlen erfolgte 1809 durch Johann Carl Freiesleben, vornehmlich anhand der Schlotten am Froschmühlenstollen-Querschlag.

 

4) Montanarchäologisch erschließt sich über das von den Schächten W und T aus zugängliche, nicht geflutete Grubenfeld die technologische Entwicklung des Mansfelder Kupferschiefer-Bergbaus gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wie sonst nirgends.

 

5) Kulturell sind die unzähligen Inschriften von Besuchern bedeutsam. Wie in keiner anderen Höhle Deutschlands sind ganze Wände oder kleinere Kuppeln regelrecht von Namen und Sinnsprüchen übersät. Es handelt sich um eine Art von Stammbuch des Mansfelder Bergbaus, teils in kalligrafisch bestechender Manier. 

Vor allem im Tanzsaal und in den angrenzenden Räumen der Wimmelburger Schlotten lassen sich unzählige Inschriften mit den Namen von Bergleuten aus nahezu zwei Jahrhunderten finden. Derartig viele Eintragung im "Besucherbuch" einer Höhle dürfte es kaum anderswo noch geben! Aufnahme Michael K. Brust, 2. Februar 2010. 

Literatur

 

Brandt, S. (2016): Namhafte Besucher in den Wimmelburger Schlotten. – Tagungsband 19. Internationaler Bergbau- und Montanhistorik-Workshop Mansfeld-Südharz S. 131-141, 20 Abb.; Clausthal-Zellerfeld (Grubenarchäologische Gesellschaft).

 

Brust, M. K. (2008): Die „Mansfeldischen Kalkschlotten“ und ihre Bedeutung für den historischen Kupferschiefer-Bergbau. – Exkursionsführer und Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften 235, S. 10-18, 6 Abb., 24 Lit.; Hannover.

 

Brust, M. K.; Graf, J. (2016): Die Mansfelder Schlotten. Höhlen im Gipskarst. - Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz N.F. 8, S. 50-59, 8 Abb.; Goslar (Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz).
 

Kupetz, M. (2008): Neue Vorstellungen zur Genese von Höhlen vom Typ der „Mansfeldischen Kalkschlotten“. – Exkursionsführer und Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften 235, S. 19-29, 10 Abb., 29 Lit.; Hannover.

 

Stolberg, F. (1934): In den Wimmelburger Schlotten. Eine Unterweltfahrt der Nordhäuser Höhlenforscher. – Nordhäuser Familienblätter (= Beilage der Nordhäuser Zeitung) 87, 31 (Mittwoch, 18. April 1934); Nordhausen.

 

Strobel, G.; Herold, U. & Spilker, M. (2008): Zur Flutung der Mansfelder Mulde. Eine Nachbetrachtung. – Mitteilungen zu Geologie und Bergwesen in Sachsen-Anhalt 15, 112 S., 55 Abb., 14 Tab.; Halle (Landesamt für Geologie und Bergwesen).

 

Völker, R.(1977): Expedition in die Wimmelburger Schlotten. – Jahrbuch des Höhlenforschers 1978, S. 2-7; o.O. (Kulturbund der DDR, Arbeitskreis Höhlen- und Karstforschung).